Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) by Koschyk Heike

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) by Koschyk Heike

Autor:Koschyk, Heike [Koschyk, Heike]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-05T05:00:00+00:00


3

JENA

OSTERN 1793

Die Postkutsche ruckelte gemächlich vor sich hin. Hufeland blickte aus dem Fenster. Mit jeder Meile, die er sich Jena näherte, wurde seine Freude größer und verdrängte alle Bedenken. Nun hatten sie bereits das Rautal erreicht, das umgeben war von hohen Bergen. Von einem Felsen stürzte ein Wasserfall in die Schlucht. Überall standen dunkle Tannen, in denen Raben hausten, die, vom Lärm der nahenden Kutsche erschreckt, laut kreischend aufflogen.

»Wann sind wir da?« Der kleine Eduard rieb sich die Augen und sah zu seiner Mutter.

»Bald, mein Schatz«, flüsterte Juliane und strich ihm über den Kopf. Zärtlich betrachtete Hufeland seine junge Frau, als er den neugierigen Blick der gegenübersitzenden Dame bemerkte und ihr höflich zunickte.

»Entschuldigen Sie, ich habe mich nicht getraut, Sie anzusprechen. Aber Sie sind doch nicht etwa Christoph Wilhelm Hufeland?«, fragte sie und errötete.

»Doch, verehrte Dame, das bin ich.«

»Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Elisabeth von Sonthofen, glühende Verehrerin Ihrer feinsinnigen Aufsätze im Journal des Luxus und der Moden. Vor allem der Artikel Ein Schönheitsmittel nicht aus Paris hat mich zutiefst beeindruckt.« Und sie beugte sich vor, als wolle sie ihm ein Geheimnis verraten. »Ich habe längst erraten, dass Sie der Verfasser der anonymen Artikel sein müssen. Denn wer sonst sollte in diesem Journal medizinische Aufsätze über die Schönheit schreiben dürfen als ein Arzt aus dem Kreise von Wieland, Herder und Goethe? Oh, Sie wissen ja gar nicht, wie ich Sie verehre! Kein anderer versteht es wie Sie, gleichzeitig über die neuesten Erkenntnisse der Schönheitsmittel zu referieren und die Leserinnen mit vollendetem Charme in den Bann zu ziehen.«

»Ach, ich bitte Sie.« Hufeland lächelte und rieb sich verlegen am Ohr, während Juliane ergänzte:

»Nun, er hat sich vornehmlich um die medizinische Aufklärung verdient gemacht, vor allem in der Bekämpfung der Pocken. Zudem haben wir es ihm zu verdanken, dass in Weimar ein Leichenschauhaus eröffnet wurde, das erste dieser Art im ganzen Land. Eine Bestattung von Scheintoten ist seitdem nahezu ausgeschlossen.« Sie strich sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht und warf ihrem Mann einen vielsagenden Blick zu, in dem eine Mischung aus Stolz und Amüsement lag. »Mein Mann ist als Professor der Medizin nach Jena bestellt worden«, fuhr sie fort, »um sich dort um die praktische Ausbildung der Studenten zu kümmern.«

»Als Professor?« Die Dame schlug die Hände vor den Mund. »Als Professor neben so ehrenwerten Namen wie Loder, Stark und Griesbach?«

»Und Schiller«, ergänzte Juliane lächelnd.

Hufeland sank tiefer in seinen Sitz. Noch immer wollte er sich nicht an den schnellen Ruhm gewöhnen, der ihn überrascht hatte, seit er auf Goethes Freitagsgesellschaft vor dem Herzog aus seiner Makrobiotik, der Lehre zur Verlängerung des Lebens, vortragen durfte. Er bedeutete seiner Tochter Wilhelmine, die sich intensiv mit dem Inhalt ihrer Nase beschäftigte, mit strenger Miene, dies zu unterlassen, während seine Frau fortfuhr, ihrer Reisebegleitung seine Verdienste um den Fortschritt der Medizin zu nennen und dabei besonders die Einführung einer neuartigen Immunisierungsmethode gegen Pocken hervorhob.

Sie erreichten das Haus, in dem sie fortan wohnen sollten, durch einen bewachsenen Torbogen und über einen steinigen Vorplatz. Es bestand aus



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